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Unter dem Motto „Amt und Ehrenamt – Gemeinsam aktiv für Flüchtlinge“ hatte das Landratsamt Böblingen am 24.10.2015 zu einer Tagung für die in der Flüchtlingshilfe tätigen ehren- und hauptamtlichen Helferinnen und Helfer des Landkreises geladen. Dieser Einladung folgten am Samstag Aktive und Interessierte aus zahlreichen Gemeinden des Landkreises in die Gottlieb-Daimler-Schule in Sindelfingen.

 

Schon vor Beginn der Tagung konnte man sich bei Getränken und einem reichlich gedeckten türkischen Fingerfood-Buffet kennenlernen und an Stellwänden die Selbstpräsentationen der anderen Arbeitskreise erkunden.

 

Um 10.00 h begrüßte Landrat Roland Bernhard vor einer voll besetzten Aula auch Vertreter aus der Kommunal- und Landespolitik mit einem uneingeschränkten Bekenntnis zur Hilfe für Schutzsuchende und nannte diese willkommen zu heißen eine Menschenpflicht. In Anbetracht der teils hitzigen öffentlichen Diskussionen betonte er, dass Wahrheiten Wahrheiten bleiben müssten und eine Abschottung Deutschlands oder Europas keine Option sei.

 

Er erwähnte die langjährige und äußerst erfolgreiche Integrationsgeschichte des Landkreises Böblingen und betonte dabei auch, dass die enorme Wirtschaftskraft und der Wohlstand dieser Region ohne die vielen Zuwanderer nicht möglich gewesen wären; dafür sei ihnen Dank geschuldet. Der Landkreis Böblingen habe nicht nur die höchste Migrationsquote im Land, er verfüge mit derzeit 25 Arbeitskreisen auch über ein unvergleichliches Engagement vor allem Ehrenamtlicher, die eine unverzichtbare Ergänzung zur Arbeit der hauptamtlich Beschäftigten seien.

 

„Wir wollen nicht die Einfalt,“ so Roland Bernhard „sondern Vielfalt!“ Sie bringe Wohlstand und präge unsere Kultur. Er bezeichnete die Zuwanderer als einen Schatz unseres Landkreises. So stelle sich für ihn auch nicht die ärgerliche weil trennende Frage nach dem Ob, sondern danach, wie das zu schaffen sei.

 

Seine Rede wurde mit großer Zustimmung und viel Applaus aufgenommen.

 

Im Anschluss erläuterte Katharina Pfister, die Leiterin des in diesem Jahr neu geschaffenen Amtes für Migration und Flüchtlinge, die Arbeit der Hauptamtlichen. Sie betonte, dass das ehrenamtliche Engagement im Landkreis überwältigend sei. Derzeit betreibt der Landkreis 21 Gemeinschaftsunterkünfte und drei in Turnhallen eingerichtete Notunterkünfte. Die Belegung der Unterkünfte ist gemischt, es findet also keine Trennung nach Herkunft oder religiösem oder kultruellem Hintergrund statt, da dies nach bisheriger Erfahrung am sozialverträglichsten sei. Derzeit kommen wöchentlich etwa 250 neue Schutzsuchende im Landkreis Böblingen an. Dies stellt für die Unterbringung eine sehr große Herausforderung dar, und so muss wöchentlich eine neue Unterkunft eröffnet werden. Frau Pfister geht davon aus, dass die Zahl der Schutzsuchenden in den letzten drei Monaten des Jahres noch ansteigen wird.

 

Schließlich referierte Frau Dr. Misun Han-Broich, Diplom-Sozialarbeiterin und Lehrbeauftragte im Studiengang Soziale Arbeit an der Evangelischen Hochschule Berlin über den integrativen Nutzen und die positiven Auswirkungen der ehrenamtlichen Integrationsarbeit für die Schutzsuchenden aber auch für die Helfenden sowie die Gesellschaft, in der sie wirken aus wissenschaftlicher Sicht und präsentierte die Ergebnisse einer von ihr durchgeführten Studie. Auch sie betonte die Unverzichtbarkeit ehrenamtlichen Engagements für eine erfolgreiche Integration.

 

Nach einem schwungvollen musikalischen Intermezzo der afrikanischen Trommelgruppe Hif & Zanga, erzählten vier Flüchtlinge über ihre Erfahrungen in Deutschland, über ihre Träume und Wünsche. Sie erstaunten dabei mit ihrer Eigeninitiative, die bereits sehr guten Sprachkenntnisse und ihre Zuversicht. Die eindringlichste Bitte äußerte ein junger türkischer Oppositioneller, der für seine politische Arbeit in der Türkei inhaftiert worden war: „Bitte lasst nicht nach. Gebt uns die Kraft, die wir brauchen. Bleibt an unserer Seite. Auch gegen die Fremdenhasser; sie machen uns Angst.“

 

Nach einem Mittagessen bei Maultaschen und Kartoffelsalat, bei dem sich schon viele Gespräche entspannen und Kontakte geknüpft wurden, teilten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf insgesamt acht Workshops auf, in denen zum Teil über die rechtliche Situation oder Berufs- und Ausbildungsperpektiven informiert, aber auch rege über die Errichtung von effektiven Netzwerken oder die Koordination von Bedürfnisse oder Sprachunterricht diskutiert wurde. Die Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitskreise knüpften hier neue Kontakte und nahmen wertvolle Informationen mit nach Hause. Die Ergebnisse der Workshops werden gesammelt und vom Landratsamt auf Anregungen und Wünsche der Ehrenamtlichen in den Arbeitskreisen hin überprüft.

 

Der Beginn eines sehr guten und offenen Dialogs zwischen den Arbeitskreisen und den Verantwortlichen im Landratsamt wurde heute gemacht. Die Arbeit wird so schnell nicht ausgehen, aber Frau Carola Eisler vom Netzwerk Interkulturelle Arbeit, NIKA, drückte in ihren wunderbar bewegenden Abschlussworten mit einem Zitat Theodor W. Adornos aus, was Haupt- wie Ehrenamtliche zu dieser Arbeit motiviert: „Liebe ist die Fähigkeit, Ähnliches im Unähnlichen wahrzunehmen.“ Die Arbeit mit Schutzsuchenden bringt uns diesen Ähnlichkeiten im Unähnlichen näher.

 

(Bericht und Fotos: Brigitte Sautter)


              

Das Catering ist exzellent.

 

    

Die Arbeitskreise des Landkreises stellen sich vor.

 

Die Aula der GDS2 füllt sich.

 

Vorträge in der Aula

 

Geflüchtete teilen ihre Erfahrungen mit und bedanken sich bei den Ehrenamtlichen.

 

Arbeit in den nachmittäglichen Workshops